Community Organizing in den USA

Der methodische Ansatz von Community Organizing (CO) ist in den 1930er Jahren durch das Engagement von Saul Alinsky in Chicago entstanden. Alinsky wandte damals Erfahrungen aus der Gewerkschaftsarbeit mit beziehungsorientiertem Vorgehen auf den Umgang mit Misständen im Stadtteil an.

Viele Menschen lebten und arbeiteten damals in Chicago unter menschenunwürdigen Bedingungen. Arbeiter mussten in den Schlachthöfen der Stadt unter unhygienischen Zuständen arbeiteten und wurden wirtschaftlich ausgebeutet. Trotz der offensichtlichen Missstände war es dem Einzelnen nicht möglich, über klassische Wege der Selbstorganisation Verbesserungen in den Nachbarschaften und politische Mitsprache zu erreichen. Spannungen zwischen Religion, Herkunftsländern und politischen Überzeugungen machten gemeinsame Aktionen undenkbar. Alinsky erkannte, dass ein anderer Ankerpunkt gefunden werden musste: Die Mitgliedschaften und das Ehrenamt der betroffenen Arbeiter in den verschiedenen nachbarschaftlichen Vereinen, religiösen Gemeinden und Gewerkschaften konnten als Katalysator für zivilgesellschaftliche Organisation und Empowerment dienen. Sie ermöglichte fortan die Basis für gemeinsames Handeln. Anhand gemeinsamer Interessen konnten die Arbeiter trotz Vielfalt und Differenzen zusammenarbeiten, was auch die Zusammenarbeit der katholischen Kirche mit den Gewerkschaften verdeutlicht. Das Ergebnis der Zusammenführung dieser Gruppen und das erste Fundament zum Handeln war das Back of the Yards Neighborhood Council (BYNC) in Chicago. Als Community Organization (Bürgerplattform) vereinte es 127 der vormals nicht miteinander verbundenen zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Institutionalisierung durch die IAF

Community Organizing verbreitete sich in Folge der Gründung der Industrial Areas Foundation (IAF) durch Saul Alinsky im Jahr 1940. Sie ermöglichte es, den Ansatz zu institutionalisieren, professionelle Organizer zu beschäftigten und weiterere Community Organizations in anderen Städten der USA aufzubauen. Alinsky selbst legte mit den Publikationen Reveille for Radicals (1946) und Rules for Radicals (1971) bereits die methodischen Grundlagen für Community Organizing. Nach seinem Tod war es vor allem sein Mitarbeiter Edward Chambers, der die Inhalte weiterentwickelte und in der Publikation Roots for Radicals (2003) zusammenfasste; ergänzende Erfahrungen finden sich in Michael Gecans Going Public (2002).

Sozialpolitische Themen wie u.a. Waffenkontrolle[1] und arbeitspolitische Themen bilden trotz der langjährigen Geschichte von Organizing weiterhin internationale Schwerpunkte. Ein herausragendes Beispiel sind die Living-Wage-Kampagnen.[2] Sie wurden in Baltimore entwickelt und haben und wurden u.a. auch nach Großbritannien für Citizens UK weitergetragen und konnten eine umfassende Wirkung erzielen. Leader der Bürgerplattformen führten Verhandlungen mit regionalen Arbeitgeber*innen und erkämpften einen Lohn über dem Mindestlohn. Die Zivilcourage dieser Schlüsselpersonen und ihr ehrenamtlicher Einsatz macht es Angestellten bis heute möglich, ihre Unkosten für den Lebensunterhalt ohne Zweitjob zu begleichen. Der Mindestlohn in England beträgt noch immer nur £7,55 (2019) während der damalige Living Wage von £9,40 noch heute ein Leben in London möglich macht.[3]

Derzeit sind mit der IAF über 70 Community Organizations verbunden. Die meisten von ihnen finden sich in industriell geprägten Großstädten der einzelnen Länder (u.a. Baltimore, Chicago, New York, Los Angeles in den USA, Vancouver in Kanada, Sydney in Australien, u.a. London, Birmingham und Cardiff in Großbritannien).[4] Viele Bürgerplattformen haben sich in alten Industrie- und Arbeitervierteln zusammengefunden. Sie stellen sich dem Strukturwandel einer sich verändernden Arbeitswelt, um als Zivilgesellschaft handlungsfähig zu bleiben. Zusammen gestalten sie den Wandel aktiv mit.

Etablierung weiterer Netzwerke seit 1970

Neben der IAF haben sich mittlerweile weitere Netzwerke in den USA und weltweit etabliert. Hierzu gehören Organisationen wie Faith in Action, Gamaliel Foundation oder DART . Zusätzlich haben sich individuellere Ansätze wie bei ACORN oder transformative Ansätze, aufbauend auf Eric Mann in jüngster Vergangenheit verbreitet.

[1] Kampagne „Do not Stand Idly by“, http://donotstandidlyby.org/

[2] http://www.buildiaf.org/about/

[3] siehe http://www.livingwage.org.uk

[4] Eine vollständige Liste findet sich unter http://www.industrialareasfoundation.org/affiliate-members#all